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Galaabend zum 50. Geburtstag in Schloss Neersen Vorlesen

06. Nov 2017

Lebenshilfe sorgt für Selbstbestimmung

Festakt Galaabend im Schloss Neersen
Festakt Galaabend im Schloss Neersen

Seit 50 Jahren gibt es die Lebenshilfe im Kreis Viersen. Zum Jubiläum gab es ein Musical und Theateraufführungen, einen Trödelmarkt und ein großes Familienfest, zu dem 3000 Menschen kamen. Und am 3. November gab es einen feierlichen Akt in Form eines Galaabends im Schloss Neersen. Rund 200 Gäste feierten mit uns in Schloss Neersen unser 50-jähriges Bestehen. WDR-Wettermoderatorin Claudia Kleinert moderierte den Abend.

Begrüßung
Begrüßung

Begrüßt wurden die Gäste durch Vereinsvorsitzenden Wolfgang Reinsch und Lebenshilfe-Rat-Vorsitzende Monika Spona-L’herminez. Neben Worten ließen sie auch viele Bilder, bzw. Videos sprechen. Diese Videos waren im Rahmen des Jubiläumsjahres entstanden und können auch auf unserem YouTube-Kanal angeschaut werden. „50 Jahre gemeinsam stark steht für den Wandel vom Elternverein zum großen Selbsthilfeverein, in dem sich alle engagieren: Menschen mit und ohne Behinderung“, waren sich beide einig. Neben dem Erreichten, stand vor allem die Zukunft im Mittelpunkt der Veranstaltung: Was wünschen sich Menschen mit Handicap und deren Angehörige? Wie muss die Zukunft gestaltet werden, damit Inklusion realisierbar ist?

Claudia Kleinert
Claudia Kleinert

Hiermit übergaben die beiden Gastgeber die Leitung des Abends an Claudia Kleinert. Sie ist Botschafterin der Lebenshilfe-NRW und bekannt aus dem WDR-Fernsehen. „Ich bin der Lebenshilfe seit vielen Jahren verbunden, da mein Bruder bei einer Lebenshilfe-Einrichtung in Köln arbeitet und ich viele seiner Freunde kenne“, sagt sie zu Beginn.

Erste Grußworte durfte „Schlossherr“ und Bürgermeister Josef Heyes an die Gäste richten: „Ich freue mich, dass ich Sie in diesen Räumlichkeiten begrüßen darf. (Anm. d. Red.: sie wurden uns kostenlos zur Verfügung gestellt). Und ich bin stolz darauf, dass in Willich im Haus Anrode in Anrath und Unser Haus in Wekeln gleich an zwei Standorten Menschen mit Behinderung ein Zuhause gefunden haben – in der Mitte der Gesellschaft.“

Die zweiten Grußworte richtete Doris Langenkamp aus. Sie ist Mitglied des Vorstandes der Lebenshilfe Bundesvereinigung und Vorsitzende der Lebenshilfe Münster: „Ich gratulieren Ihnen allen ganz herzlich. Das mache ich auch im Namen von Ulla Schmidt, unserer Bundesvorsitzenden, und unseres gesamten Bundesvorstandes. Wir alle sind stolz auf Ihren Einsatz und Ihre Erfolge. Was uns ganz besonders freut, ist wie wichtig der Lebenshilfe Kreis Viersen Selbstbestimmung ist. Das kommt hier mit jeder Faser rüber.“ Abschließend bekräftigt sie: „Ein starker Verein ist immens wichtig, damit uns auch die Politik zuhört. Und ich weiß, dass Sie auch weiterhin viele neue Mitglieder für unsere starke Gemeinschaft werben werden.“

Das letzte Grußwort hielt Uwe Schummer, Vorsitzender der Lebenshilfe NRW, Bundestagsabgeordneter des Kreis Viersen, Behindertenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und auch Mitglied der Lebenshilfe Kreis Viersen. „Ich gratuliere Ihnen herzlich und stehe hier auch im Namen von 25.000 Mitgliedern, denn so stark ist die Lebenshilfe in NRW. Dass am morgigen Tag die Landestagung hier stattfinden wird, das ist auch ein Zeichen der Wertschätzung für die kreative und engagierte Arbeit der Lebenshilfe Kreis Viersen. Viele verschiedene Möglichkeiten der Teilhabe werden im Kreis ermöglicht:

  • das Miteinander Theater vom Haus Anrode und dem Lise-Meitner-Gymnasium
  • das Ehrenamt Rückwärts in Wekeln, das 2016 den MitMenschPreis erhalten hatte
  • die Werkstatt HPZ, die ebenfalls 50jähriges feiert und viele Menschen auch in Außenarbeitsplätzen beschäftigt
  • zu guter Letzt der Inklusionsbetrieb LHV dienst und leistung, mit dem Hausmeisterservice und dem käffchen, deren Mitarbeiter heute Abend den Service übernehmen.“

Zum Abschluss überreichte er das Bild „Tiefseetaucher“ der Kunstwerkstatt der Lebenshilfe Aachen. Es war 2012 das Titelbild der Ausstellung „Tiefseetaucher und Überflieger“, einer gemeinsamen Ausstellung der Kunstwerkstatt mit unserer Künstlergruppe SIRIUS aus Nettetal im Bundestag.

Der Süchtelner Horst Bessel, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender, erinnerte sich an die Anfänge. Er erzählte im Interview mit WDR-Wetterfee Claudia Kleinert, dass sein Sohn zu den „Sorgenkindern" gehört habe. „So nannte man früher geistig behinderte Kinder", erklärte er. Im Kindergarten war aufgefallen, dass der Junge kaum sprach. Horst Bessel nahm mit Hilfe von Apothekern und Ärzten Kontakt zu anderen betroffenen Eltern auf. „Ich bin mit dem Fahrrad durch den gesamten Kreis getingelt. Zur ersten Versammlung am 6. Oktober 1967 kamen 20 Familien", erinnerte sich der 86-Jährige. 20 Jahre lang war er Vorsitzender der Lebenshilfe im Landkreis Kempen-Krefeld, später Kreis Viersen. Bis 2005 blieb er im Vorstand. „Wir sind ein Ideal-Verein", sagte der Süchtelner, „wir haben das Ideal, dass unseren Kindern geholfen wird." Stolz sei er auf die Arbeit, die die Lebenshilfe in den 50 Jahren geleistet habe, aber auch demütig. „Ich wünsche mir, dass wir in der Medizin, in der Gesellschaft und der Pädagogik weiterkommen, sodass wir in 50 Jahren keine Lebenshilfe mehr brauchen,“ sagte er zum Abschluss.

Auch Klaus Simonsen, Bereichsleiter in Süchteln, erzählte von seinen Anfängen: „Ich bin ein klassischer Quereinsteiger. Nachdem ich ein Studium abgebrochen hatte und nicht genau wusste, was ich denn nun machen soll, kam ich mit Herrn Bessel ins Gespräch. Ich kannte Herrn Bessel und seinen Sohn schon von Kindesalter an aus der Nachbarschaft. Wir kamen auch darauf, dass die Lebenshilfe kurz zuvor, im Jahr 1977, die Wohnstätte auf der Bergstraße eröffnet hatte. Daraufhin habe ich dort als Zivildienstleistender angefangen und bin ‚hängen geblieben‘.“ Über die Arbeit sagte er: „Man braucht eine sehr enge Beziehung und ein offenes Herz, um zu verstehen, wie ein Mensch mit Behinderung Selbstbestimmung erreichen möchte. Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft so weiterarbeiten können.“

Was der Verein geleistet hat und leistet, welche Wünsche die Betreuten, die Angehörigen und Mitarbeiter für die Zukunft haben, wurde bei den kurzen Einspielern deutlich, die immer wieder auf der Leinwand gezeigt wurden und in denen viele Menschen zu Wort kamen. „Ich bekomme hier Hilfe, aber auch Anerkennung", sagte eine Frau. Andere loben die Freizeitangebote und die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben und in den Werkstätten arbeiten zu können. Geschäftsführer Michael Behrendt bedankte sich am Ende des Abends noch einmal sehr herzlich beim Filmemacher André Sole-Bergers für die beeindruckenden Filme, die im Jubiläumsjahr entstanden sind.

Es folgte eine erste Talkrunde zu regionalen Themen. Hier die Kernaussagen der Teilnehmer:
Elke Fongern – Lebenshilfe-Rat
• Unser Wunsch ist es, dass mehr Urlaubsangebote für Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen werden. Außerdem soll ein Zebrastreifen an der Mühlenstraße entstehen.
Heinz-Josef Heckers – Lebenshilfe-Rat
• Seitdem ich bei der Lebenshilfe wohne, sind meine Handicaps weniger geworden, da ich in meiner Selbstständigkeit gestärkt werde.
• Leichte Sprache ist uns vom Lebenshilfe-Rat sehr wichtig.
Christina Minten – (zu dem Zeitpunkt stellvertretende) Vorsitzende der Lebenshilfe Kreis Viersen e.V.
• Man muss als Angehöriger stark werden, um auf Barrieren jeglicher Art aufmerksam zu machen oder sie zu beseitigen.
Ingo Schabrich – Kreisdirektor des Kreises Viersen
• Ich muss eine Lanze für die Politik brechen: viele besuchen das HPZ, aber machen es eher ohne große Presse.
• Wir sind alle miteinander gefordert, mehr Kreativität dabei zu entwickeln, um alte, aber berechtige Regelungen so umzugestalten, dass man in Zukunft Barrierefreiheit mit ihnen vereinbaren kann.
Michael Lorenz – Bereichsleitung Kempen/St. Tönis der Lebenshilfe Kreis Viersen e.V.
• Die Deutsche Bahn hat schon viel für Barrierefreiheit getan, aber es gibt immer noch einiges zu tun.
• Wir werden mit der Stadt Tönisvorst noch einmal sprechen, damit ein Zebrastreifen an der Mühlenstraße entstehen kann.
Michael Klee – Sozialdezernent der Stadt Kempen
• Wir als Stadt müssen noch vieles für Barrierefreiheit tun – z.B. das Kopfsteinpflaster in Kempen umgestalten.
• Vertreter der Lebenshilfe sollten in die Ausschüsse der Städte und Gemeinde gehen, um sich Gehör zu verschaffen und lauter in der Politik zu werden.
Heinz-Jürgen Antwerpes – Vorsitzender des Paritätischen Kreisgruppe Viersen
• Oft sind Hilfsmittel wie Aufzüge zu lange defekt und Beschwerdestellen sind nicht gut zu erreichen.
• Krankenhäuser haben eine große Lücke, beim Umgang mit Patienten mit einer Behinderung.
• Architekten müssen für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert werden, um auch günstige Lösungen zu kennen.
Claudia Kleinert
• Man kann nicht genug Aufmerksamkeit wecken, nicht genug hinweisen, nicht genug mit Menschen sprechen, um mehr Barrierefreiheit zu schaffen.
• Ich stelle mich für 3 Tage zur Verfügung, um mit einer Gruppe von Betroffenen zu zeigen, wo es noch Barrieren gibt

Nach der ersten Talkrunde zeigte das Miteinander Theater, wie aus Nebeneinander ein Miteinander wurde. Bereits seit 2014 gibt es dieses gemeinsame Projekt des Lise-Meitner-Gymnasiums und des Haus Anrode in Anrath. Die Bühnendekoration wurde 2017 das erste Mal vom inklusiven Künstlerprojekt „Art together“ gestaltet.

Anika (Schülerin):
Am Anfang kannte man als Schüler das Haus Anrode nicht. Durch das Theater bin ich erst richtig in Kontakt mit Menschen mit Behinderung bekommen. Es macht einfach Spaß und solche gemeinsamen Projekte sollten zur Normalität werden.

Als letzter Programmpunkt widmete man sich in der zweiten Talkrunde überregionalen Themen. Hier die Kernaussagen der Teilnehmer:
Nina Ueckert – Lebenshilfe-Rat
• Hilfeplangespräche sollten kürzer gestaltet werden und mehr Fahrdienste auch auf Rollstuhlfahrer eingestellt sein.
• Ich wünsche mir, dass wir alle gleich sind!
Marianne Philipzig – pädagogische Leitung Lebenshilfe Kreis Viersen e.V.
• Wir werden uns intensiv mit der Fülle an Möglichkeiten der Arbeitswelt beschäftigen, um gemeinsam mit den von uns betreuten Menschen schneller ihren passenden Platz in der Arbeitswelt zu finden.
• Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft wohlwollend begleitet werden und gemeinsam mit der Politik an der Verbesserung der Lebensumstände von Menschen mit Behinderung arbeiten.
Christine Reichel – aus dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW
• Die größten Barrieren sind heute noch meistens in den Köpfen. Oft möchten wir gutes machen, aber wir wissen gar nicht genau, wie wir es für Menschen mit Behinderung besser machen können.
• Im Fachbeirat für Arbeit und Soziales bringen wir die Akteure zusammen, die daran arbeiten Menschen in Arbeit zu bringen (LVR, Arbeitsamt, etc.).
Claudia Middendorf – Behindertenbeauftragtes des Landes NRW
• Wir müssen Menschen mit Behinderung mehr zuhören.
• Ich habe 17 Jahre eine Werkstatt geleitet und im ambulant betreuten Wohnen gearbeitet – ich bin als Netzwerkerin aus der Praxis für alle Ansprechpartnerin.
Uwe Schummer – Behindertenpolitischer Sprecher der CDU im Bundestag
• Im Rahmen des BTHG wird auf Bundesebene die Leichte Sprache gefördert, z.B. durch Erläuterungen bei wichtigen Bescheiden und Dokumenten.
• Wir müssen es alle beherzigen, kurze und einfach Sätze zu nutzen.
• Wichtig ist, dass wir Wahlfreiheit schaffen, ob in der Arbeitswelt oder bei gesellschaftlichen Institutionen.
• Leistungen aus der Werkstatt, wie z.B. Krisenintervention, müssen auch für Firmen des 1. Arbeitsmarktes bereitstehen. So kann für die Firma das Risiko minimiert werden, und die Einstellung eines Menschen mit Behinderung erleichtert werden.
Christian Huppert – Professor an der Uni Bielefeld mit dem Schwerpunkt Inklusion
• Die Lebenshilfe hat in den vergangenen Jahrzehnten viele tolle dezentrale Angebote entwickelt. Ziel sollte sein, dass die Lebenshilfe den Weg zu bestehenden Angeboten des Gemeinwesens (1. Arbeitsmarkt, Jugendzentrum, Kino, usw.) noch besser ebnet.
• Selbstbestimmung, Teilhabe und Partizipation müssen in den Mittelpunkt gestellt werden: wir unterstützen dabei, ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft zu führen, ohne „exklusive“ Angebote anbieten zu müssen.
• Menschen mit Behinderung sollten mit zu Forschern werden, um die Forschung mit ihrer Sicht auf die Welt zu bereichern.
Heike Brüning-Tyrell – Landschaftsverband Rheinland Umsetzung des BTHG
• Neue Möglichkeiten durch das BTHG: z.B. unbefristeter Lohnkostenzuschuss auf dem freien Arbeitsmarkt
• Wir müssen den Mund aufmachen, wenn es Stellen im BTHG gibt, die noch nicht optimal sind.
Claudia Kleinert
• Am liebsten würde ich alle Wünsche mitnehmen und erfüllen.

Während des gesamten Abends wurden von den Gästen noch Wünsche und Anregungen für die nächsten Jahre gesammelt. Diese Wünsche wurden auf Fotos festgehalten. Sie finden die entsprechende Bildergalerie unter diesem Artikel.

Ein großer Dank ging zum Schluss an Josef-Heyes für die Bereitstellung der Räumlichkeiten sowie an Lepsy und das käffchen am steinkreis für das tolle Catering. Für den Rest des Abends übernahm die Band „Acoustic Delite“ die Bühne und brachte die Gäste nach dem Buffet auch dazu, das Tanzbein zu schwingen. Als um 1:00 Uhr nachts die letzten Gäste das Schloss verließen, waren sich alle einig: das war eine gebührende Geburtstagsfeier – auf die nächsten erfolgreichen 50 Jahre.

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